Jeden Sonntag geht Paul Wagner in die Kirche. Nichts kann ihn davon abhalten. Andächtig nimmt er am Gottesdienst teil, spendet anschließend eine Kerze und dankt Gott für die Rettung seines Lebens. Paul ist ein sehr gläubiger Mensch.
Das war nicht immer so.
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Paul wuchs in einer katholischen Familie in Bayern auf, wurde getauft und besuchte den Religionsunterricht. Seine Eltern als gottesfürchtig zu bezeichnen, wäre allerdings stark übertrieben. Anders als bei seinen Großeltern auf dem Land spielte der Glaube im täglichen Leben keine Rolle. Manchmal versuchte sein Vater, Paul zum Besuch des Gottesdienstes zu bewegen. Seine eigenen Kirchenbesuche waren jedoch zu sporadisch, um als Vorbild dienen zu können. Noch dazu konnte er seinem Sohn nicht erklären, wozu das Ganze eigentlich gut sein sollte.
Sonntags geht man halt in die Kirche.
Kein überzeugendes Argument für einen Pubertierenden.
So blieb es beim Religionsunterricht und gelegentlichen Ausflügen mit der katholischen Jugend. Kommunion und Firmung ließ Paul zwar nur ungern über sich ergehen, aber er war damit zumindest kein Außenseiter und die vielen großzügigen Geschenke nahm er gerne an. Dafür konnte man schon mal so tun als ob und andere Nachteile gab es vorerst nicht.
Ins Grübeln kam Paul, als er sein erstes Geld verdiente.
Kirchensteuer - muss das wirklich sein?
Er rang mit sich, trat aber nicht aus.
Einige Jahre später erwies sich diese Entscheidung als Glücksfall. In einer Kirche zu heiraten ist nun einmal deutlich feierlicher, als nur vor einem mehr oder weniger motivierten Standesbeamten einen Vertrag zu unterschreiben.
Außerdem durften seine Kinder einen katholischen Kindergarten besuchen. Eine klassische Win-win-Situation sozusagen.
Das mit der gelobten ehelichen Treue nahm Paul genauso wenig ernst, wie den Glauben an etwas Höheres.
So verlief sein Techtelmechtel mit Kirche und Gott, wie das vieler Menschen in der heutigen Zeit. Das mit dem Glauben war so eine Sache. Vielleicht gab es da Etwas, vielleicht auch nicht.
Er hatte also keinen Grund, sich weiter mit diesem Thema zu beschäftigen, bis sich in seinem fünften Lebensjahrzehnt zunehmend gesundheitliche Probleme bemerkbar machten. Der konsultierte Arzt stellte eine niederschmetternde Diagnose. Pauls Herz war wegen einer früheren unerkannten Erkrankung so stark geschädigt, dass ein Versagen jederzeit möglich war. Nur ein Wunder in Form eines geeigneten Spenderherzens konnte ihn noch retten.
In dieser Situation erinnerte er sich an den Lieben Gott im Himmel. Er besuchte die Krankenhauskapelle, fiel vor dem Kreuz auf die Knie, betete und flehte um Hilfe. Dabei war er kaum in einer besseren Position, als ein Bankkunde, der einen Kredit möchte, aber keinerlei Sicherheiten zu bieten hat.
Trotzdem wurde er erhört. Wenige Wochen nach der Diagnose kam der rettende Anruf, das Wunder war geschehen. Wenn er den Eingriff überstand, würde er nie mehr an Gott zweifeln – ein Vorsatz für sein restliches Leben. Er hatte seine Lektion gelernt.
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Nun also liegt Paul nach einer erfolgreichen vierstündigen Operation auf der Intensivstation, mit der Aussicht auf ein geschenktes zweites Leben.
Und der Herr im Himmel freut sich über die Rückkehr eines verlorenen Schäfchens. Eine erneute Win-win-Situation.
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Die Zeitungen berichten heute von einem schweren Autounfall, bei dem eine junge Frau ums Leben kam. Unerwähnt bleibt dabei, dass die alleinerziehende Mutter zweier Kinder einen Organspendeausweis bei sich trug.