Die letzten Mitarbeiter verlassen die Firma für Wurstherstellung. Schwere Eisentore schließen das Gelände ab.
Urplötzlich beginnt in ihrem Innern erneut das Leben. Jetzt sind die kleinen Roboter mit ihren hellen Taschenlampen einsatzbereit. In den megagroßen Hallen marschieren sie umher und kontrollieren die Räume. Jeder einzelne Roboter hat seinen eigenen Rundgang.
Bei der kleinsten Unklarheit stoppen sie. Und leuchten mit ihren Taschenlampen in die Richtung, aus der die Mutmaßung einer Gefahr kommt. Dann wird aufs Penibelste abgecheckt, was da vor sich geht. Meistens passiert jedoch nichts und es ist lediglich ein Staubkorn, welches irgendwo zu Boden fällt.
Der Roboter X2438-A-49, A-49 bedeutet Azubi, ist für die Räucherkammer zuständig. In der Abteilung Salami macht er seinen Rundgang. X2438-A-49 ist jung und schlau, er kann einen ausgefallenen Roboter ersetzten und heute die Runde in der Räucherkammer alleine erledigen.
Er fühlt sich sehr müde, sein Problem, er war den ganzen Tag online. Das macht ihm am Abend zu schaffen.
Ohne lange darüber nachzudenken, schaltet er sich offline. Die Lampe erlischt, seine Antennen fahren ein. In einer dunklen Ecke erholt er sich.


Salami Mole, welche den Roboter X2438-A-49 beobachtet, denkt nach. Jetzt ist ihre große Chance gekommen. Sich einfach von der Stange zu schwingen, um abzuhauen. Wenn nicht jetzt sofort, wann dann? Sie bringt sich vorsichtig zum Schwingen. Ihre Aufhängung verrutscht kläglich, Stückchen für Stückchen arbeitet sie sich bis ans Ende der Stange. Mole wagt den Absprung.
Etwas unsanft landet sie am Boden. Schüttelt sich kurz. Am unteren Ende bilden sich zwei Beine und weiter oben seitlich erscheinen die Arme. Am oberen Knoten von dem Netz, welches sie umgibt, bildet sich ein Gesicht mit Augen, Nase und Ohren aus. Sie freut sich so sehr wie lange nicht und wartet auf diesen besonderen Moment. Endlich aus der Räucherkammer zu fliehen, bevor sie in Scheiben geschnitten und liegend auf dem Brot eines Menschen aufgegessen wird.

Ganz am Anfang, als ein großes Stück Fleisch versprachen sich zwei magere Stücke zu versuchen, dieses Gebäude noch einmal zu verlassen. Denn sie wollen etwas erleben, bevor sie vakuumverpackt im Kühlregal landen. Gleich nach ihrem gegenseitigen Versprechen kamen die großen Messer und zerschnitten das Fleisch in Stücke. Danach gefroren sie bei Eiseskälte zu gleichmäßigen kleinen Klumpen. Sie fanden nicht mehr zusammen. Erst später, als sie in diesen übergroßen Rührmaschinen beim Vermengen mit den Gewürzen Karussell fuhren, konnten sie sich riechen und fühlen, ihr Versprechen stand.

Genau jetzt, da der junge Aufsichtsroboter X2438-A-49 offline am Boden liegt, kommt ihre Gelegenheit. Denn dieser merkt keineswegs, was momentan vor sich geht. Sein Zustand ist offline.
Hoffentlich nutzt Moles seelenverwandte Mara sogleich die Situation. Dann können sie ihr Versprechen einlösen und sich gemeinsam für eine Weile aus dem Staub machen.
Tatsächlich steht hinter einer anderen Wurstwagenrolle Salami Mara am Boden auf zwei Beinen. Winkend hält sie ihre Arme nach oben, um die Aufmerksamkeit Moles auf sich zu lenken. Mole erkennt Mara, freudig geht sie auf sie zu. Sie umarmen sich, blicken sich tief in die Augen und schlendern gemütlich Hand in Hand weiter.
Sie haben es auf dem Schirm, wann die anderen Roboter welche Stelle passieren, somit fällt es ihnen leicht, aus der Räucherkammer zu entfliehen. Durch ein Fenster, welches nie komplett verschlossen ist, gelangen sie in die Nacht. Dank eines Geheimganges können sie das Gelände bald hinter sich lassen.

Es dauert auch nicht lange, bis sie die Bahnstation erreichen. Am Boden abgestellt, erkennen sie eine offene Tasche. Mit einem Hops springen sie hinein. Darin fahren sie unerkannt, sozusagen als Schwarzfahrer, bis in die nahe Stadt. An der übernächsten Haltestelle steigt das junge Mädchen mit der Tragetasche wieder aus und mit ihr die beiden Geflüchteten.
Sie beschließen, gleich abzuhauen, im richtigen Moment klettern sie aus der Tasche. Die beiden verschwinden Hand in Hand. Immer, wenn ihnen etwas Angstmachendes entgegengewirkt, ziehen sie sich gegenseitig schnell zur Seite, um nicht erkannt zu werden. Doch dann begegnet ihnen ein Hund. Dieser wittert die Salami. Er schnüffelt aufdringlich, bleibt stehen, hält die Nase in den Wind. Sein Spürsinn arbeitet auf Hochtouren. Er zieht unentwegt in Richtung von Mole und Mara. Sein Herrchen kommt völlig aus der Ruhe, er sieht sich um, kann aber nichts sehen. Der Hund fängt schließlich an zu bellen. Das erschreckt die Beiden sehr, sie rennen so schnell sie ihre Beine tragen. Der Hundehalter schaut noch genauer, um festzustellen, was seinen Struppi so unruhig macht. Er kann jedoch nichts Verdächtiges erkennen und motiviert ihn, einfach mit ihm weiterzugehen.
Mole und Mara sind etwas verängstigt und außer Atem. Wegen des Hundes gelangen sie in einen Park. Um sie herum stehen hohe Bäume, verlassene Sitzbänke und unendlich viele Wege. In einem geschützten Bereich befindet sich der Kinderspielplatz. Diesen durchqueren sie, vorbei an einer Schaukel. An einem Mini Elefanten, auf dem am Tag kleine Kinder reiten. Eine Rutschbahn endet im Sandkasten, welcher als Auffangbecken dient. Etwas irritiert erkennen sie auf Sandläche ihre eigenen Schatten. Der volle Mond scheint aus einem wolkenlosen Himmel. Schnell verlassen sie die Stelle und spazieren wieder ganz vergnügt weiter.
Vor einer offenen Garage bleiben sie neugierig stehen. Darin stehen ein Oldtimer und zwei Fahrräder. Ein dritter Garagenplatz ist frei. Aus einer Seitenstraße kommen Geräusche, die Lichter eines heranfahrenden Autos erhellen die Umgebung. Mole und Mara verstecken sich ganz schnell. Dieses Auto fährt genau in die freie Lücke in der Garage.
Aus dem Auto steigt eine junge Frau. Es ist spät in der Nacht und sie strahlt vor Glück, sie verliebte sich auf einer Party. Glückselig schließt sie das Garagentor zu und geht fast tanzend zum Haus. Vor der Haustür stellt sie ihren Einkaufskorb ab. Während die junge Frau in ihrer Handtasche ihren Hausschlüssel sucht, verlassen Mara und Mole vorsichtig ihr Versteck. Dabei haben sie den Einkaufskorb im Visier. Ihnen reicht ein kurzer Blick zu dieser abgelenkten Frau und mit einem Sprung landen sie zwischen Gemüse und Obst im Korb. Die junge Frau geht tatsächlich noch einmal zurück in die Garage, um ihren Hausschlüssel zu suchen.
Sie findet ihn und kommt zurück, schließt die Haustür auf. Schnappt ihren Einkauf, komisch, dieser Korb fühlte sich schwerer an als zuvor. Doch ihre Glücksgedanken verdrängten die Tatsache gleich wieder. Sie geht ins Haus. Stellt den Einkauf in der Küche auf den Boden. Die zwei Ausreißer krabbeln vorsichtig heraus und verstecken sich unter Zeitungen, die unter dem Küchentisch in einer Box liegen.
Als die Luft ganz rein ist und Mole die Lage abgecheckt hat, erkunden sie die Gegend. Gelangen über eine Treppe hinunter in den Keller.
Die junge Frau singt während der Dusche im Bad. Sie ist nicht müde und entscheidet, ihr Essen für den nächsten Tag vorzubereiten. Zurück in der Küche nimmt sie den Kohl aus dem Einkaufskorb und bearbeitet diesen.
Mole und Mara inspizieren währenddessen den Keller. Viel altes Gerümpel, auf einer Holzstange hängen zwei große Stücke Rauchfleisch mit einem schönen Streifen Speck. In einer anderen Ecke steht eine große Holztruhe, in der sich unzählige Kartoffeln tummeln.
Diese quatschen, lachen und erzählen sich Witze. Vielleicht machen sie sich auch über diese zwei komischen Kreaturen lustig.
Gegenüber steht ein Flaschenregal mit verschiedenen Wein- und Saftflaschen. Auf einem kleinen Schrank steht zwischen eingestäubten Figuren eine bunt verzierte Flasche. Im Flaschenhals steckt ein Kerzenstumpf. Die beiden sehen sich an und stellen fest, dass dort unten nichts zu finden ist, was sie wahrhaftig interessiert.

Die beiden machen sich auf den Weg zurück in die Küche. Nach Möglichkeit, ohne aufzufallen. Irgendwie schaffen sie es, gerade noch rechtzeitig in die Box mit den Zeitungen hinein zu krabbeln, während zeitgleich die junge Frau mit einem Schnellkochtopf in die Küche eilt. Den Topf spült sie aus und befüllt ihn mit den Zutaten, die sie vorbereitet hat. Mit dem Deckel verschließt sie ihn und stellt ihn auf die Kochplatte. Sie schaltet den Herd an und sieht auf ihre Uhr. Danach verlässt sie nochmals die Küche. Das neugierige Salamipärchen krabbelt aus seinem Versteck, sie schauen erstaunt auf den Herd. Stumm stehen sie voreinander und umarmen sich herzlich, sie lassen nicht mehr los und verweilen ohne Zeitgefühl. Ein lautes Pfeifen bringt sie zurück in die Realität. Das Ventil am Topf entlässt Dampf, viel Dampf. Dieser breitet sich in der gesamten Küche aus. Mara und Mole kommen ins Schwitzen, der Dampf umnebelt sie, es ist fast nicht mehr auszuhalten. Mole verliert das Bewusstsein. Kraftlos liegt sie am Boden.
Die junge Frau kommt zurück in die Küche, sie wedelt mit den Händen vor ihrem Gesicht und nimmt verärgert den Topf vom Herd. Sie öffnet beide Fenster. Der Nebel in der Küche ist extrem. Von dem, was sich unter ihrem Küchentisch abspielt, bekommt sie überhaupt nichts mit.
Denn dort versucht Mara, der Mole zu helfen. Sie rollt sie in eine stabile Seitenlage und spricht sie vorsichtig an. Zum Glück dauert es nicht lange, bis Mole wieder zu sich kommt. Nach einer kurzen Erholungspause steht sie auf und die beiden besprechen gemeinsam ihre aktuelle Lage. Fenster waren offen, die junge Frau hat die Küche erneut verlassen.
Für die zwei Ausbrecher ist es allerhöchste Zeit, sich aufzumachen und den Rückweg anzutreten. Sie wollen noch, bevor es hell wird, zurück in der Räucherkammer sein und auf ihren Stangen hängen.

Dort wacht der Azubi Roboter X2438-A-49 auf. Er aktiviert sich und fährt die Antennen aus. Er leuchtet von unten nach oben in verschiedenen Farben gleich einer La-Ola Welle, bis sich am Schluss die Taschenlampe in seiner Hand ebenfalls erhellt.
Augenblicklich beginnt er seiner Aufgabe nachzugehen und den Kontrollgang fortzuführen. Schon nach den ersten Metern bleibt er stehen und sein Lichtstrahl geht in die Richtung der leeren Stelle auf der Wurstwagenstange. All seine Lichter sind aktiviert und leuchten. Eine Hupe beginnt zu hupen. Innerhalb kürzester Zeit kommen zwei Ersatzroboter. Sie stellen sich direkt an die Seite des Auszubildenden. Alle Taschenlampen leuchten auf dieselbe Stelle.
Einer der Ersatzroboter führt die Kontrollrunde fort, die welche Azubi X2438-A-49 unterbrach. Zwei Wurstwagenstangen weiter bleibt auch er stehen und seine Lampe leuchtet ebenso auf eine leere Stelle. Dasselbe Spiel, alle Lampen leuchten und eine schrille Hupe ertönt. Unmittelbar stehen zwei weitere Ersatzroboter bereit. Bei einem dritten Vorfall gehen Signale nach draußen und der Chef wird informiert.
Die Roboter versammeln sich an einer Stelle und diskutieren.

Mara und Mole kommen völlig außer Puste in die Wurstfabrik zurück. Sie schlüpfen durch den Geheimgang auf das Betriebsgelände und rennen wieder um ihr Leben. Schon vor der Räucherkammer bremst Salami Mole ihre Freundin Mara aus und gibt ihr zu verstehen, dass sie still sein soll. Durch eine Glastrennwand erkennen beide, einige Aufsichtsroboter zusammenstehen und mittendrin Azubi X2438-A-49.
Mole und Mara schauen sich an, sie umarmen sich ein letztes Mal und schwingen sich gekonnt wieder auf ihren Platz auf der Stange. Ihre Arme und Beine, das Gesicht ist blitzschnell zurückverwandelt.

Die Konferenz der Aufsichtsroboter ist beendet. Der Azubi X2438-A-49 wird bis auf Weiteres beurlaubt. Ob er seine Ausbildung zu Ende machen darf, wird noch entschieden. Der ganze Trupp macht gemeinsam die Kontrollrunde. Es gibt keine Vorkommnisse, keine leeren Stellen an den Wurstwagen.
Sie gehen auf Azubi X2438-A-49 zu und bitten ihn, seine Ausbildung fortzuführen und einen Anschluss zu machen. Der Vorfall wird nicht gemeldet. Keiner kann sich diese Situation erklären. Zuerst vermuteten sie, Azubi X2438-A-49 hat die Salamis entwendet, um sie später zu verspeisen.

Erschreckt und schweißgebadet erwacht der Chef der Wurstfabrik, er reibt sich die Augen. Verwirrt sieht er sich um, seine Frau liegt seelenruhig schlafend neben ihm im Bett.
Er blickt auf seine Uhr, es ist zwei Uhr am Morgen. Entspannt dreht er sich um, schließt die Augen und schläft wieder ein.


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