Es ist Januar, der zweite. Ein neues Jahr hat begonnen. Meine Familie und ich sind auf dem Weg zu irgendeinem Einkaufszentrum, dessen Name unrelevant ist. Eben habe ich die Milchpumpe abgegeben. Dieser Fakt erfüllt mich mit Erleichterung. Einerseits war das Ding eine Hilfe, zugleich Sicherheit, andererseits eine Last, die mich zur Milchkuh machte. Egal, ich bin sie los.
Weil die Wegstrecke lang ist und ich Beifahrer bin, krame ich mein Handy aus den Untiefen meiner frauentypisch viel zu vollen Handtasche hervor. Es ist wirklich verflixt. Ehrlich, ich miste regelmäßig aus - ungefähr alle zwei Jahre - und trotzdem ist sie so voll, dass der Reißverschluss streikt.
Mit wenigen Berührungen auf dem Handydisplay rufe ich ein Bild auf. Ein Screenshot, der mir die Monatsthemen für die diesjährigen Schreibwettbewerbe anzeigt. Die ersten drei Monate habe ich bereits geschrieben oder angefangen. Von daher nehme ich mir das Aprilthema "Der Held eines welchen Romans?" vor.
Keine leichte Sache, zumindest für mich. Ich sehe meinen Mann an. Erzähle ihm von dem Thema. Er zuckt mit seinen Schultern, versichert mir, dass mir wie immer etwas einfallen wird und konzentriert sich wieder auf den dörflichen Verkehr.
Okay, er glaubt an mich. Nur ich gerade nicht. Mein Kopf fühlt sich leer an, zugleich schwer. Eine seltsame Mischung, die ich dadurch erklären kann, dass mir viele Ideen kommen, die kein bisschen zum Thema passen. Schnaubend reibe ich an meinem Kopf. Mir muss etwas einfallen. Vielleicht ein Antiheld? Oder ein heldenhafter Gegenstand? In meinem Kopf taucht eine unsinnige Antwort auf, die auf beide Fragen passt: "die Milchpumpe". Kopfschüttelnd versuche ich, den Gedanken loszuwerden. So ein Rotz! Wer will denn eine Kurzgeschichte über eine Milchpumpe lesen! Vor allem, was soll ich über die schreiben? Dass ich mich zum zweiten Mal mit dem Miststück abgeben musste?! Wie sie an mir gesaugt hat, obwohl es Aufgabe meines Kindes gewesen wäre?! Das soll jemanden interessieren?
Anfangs war ich erleichtert über die Pumpe. Denn sie steigerte meine Milchmenge und half mir bei Schmerzen. Ungefähr alle drei Stunden pumpte ich Milch. Wurde der Abstand länger, spürte ich ein starkes Kribbeln, kombiniert mit partiellem Druckschmerz. Tastete ich die Stellen ab, erspürte ich strangartig feste Bereiche. Einmal wollte ich, meinem Mann die Schmerzart beschreiben. Aber mir fiel kein besserer Vergleich ein als eine übervolle Blase mit der nächsten Toilette in drei Kilometern, die nur per Fuß bewältigt werden können. Für diesen lyrischen Ausdruck, erntete ich einen gesenkten Blick.
Nee, die Milchpumpe ist raus. Mann, wie sehr mich dieses Teil fesselt. Erst an zu Hause, weil unterwegs pumpen zu kompliziert war und nun kettet sich das olle Stück an meine Gedanken.
Ich muss sie loswerden, sehe daher aus dem Fenster.
Draußen zieht die graue Mittagszeit an mir vorbei. Hier erhalte ich wohl keine Inspiration.
"Mama... kannst du das bitte leer essen?" Mein Ältester reicht mir einen Stoffhasen nach vorne. Dieser ist mit gelben, fettigen Krümeln übersät. Das Krümelgelb passt farblich gut zum beigefarbenen Stoff des Hasen. Ich öffne den Klettverschluss am Rücken des Tieres. Der Hasenbauch ist halbvoll mit Erdnussflips. Als ich die Milchpumpe abgab, entstand die kindergartenkindliche Idee, Flips aus der Tüte in den Hasen zu füllen. Normalerweise kommt ein Kirschkernkissen hinein. Doch dieses wandert im Kinderzimmer von einer Ecke in die andere.
Mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich zu meinem Sohn: "Ja Mama, ich habe übertrieben. Es ist zu voll geworden. Ich schaffe nicht alles zu essen."
Mein Mann prustet los. Dann legt er liebevoll seine Hand auf meinen Oberschenkel und strahlt mich an: "Schatzi, das ist wie mit deiner Handtasche. Nur, dass du keine Erdnussflips drinnen hast."
Was soll ich dazu sagen? Frauen und Handtaschen sind ein Minenfeld, sowohl auf männlicher als auf weiblicher Seite. Von daher wähle ich die Antwort des Schweigens.
Hm, vielleicht sollte ich den Stoffhasen als Held meiner Geschichte wählen...
"Ich brauche einen Helden für meine Geschichte!" Verzweifelt sehe ich meinen Mann und unseren Ältesten an. Der Jüngste schläft, schnarcht leise im Maxi Cosi.
"Mama wir sind doch deine Helden!"
Automatisch gehen meine Mundwinkel nach oben. Denn ich weiß was ich schreiben werde: "Es ist Januar, der zweite. Ein neues Jahr hat begonnen...