Manfred saß am Küchentisch und starrte in die halbvolle Müslischale, die vor ihm stand. Elke kam herein, knallte die Tür hinter sich zu, stellte sich auf die andere Seite des Tisches und stemmte ihre Hände in die Hüften.
„Ich weiß alles!“
Durch zwei Augenschlitze, die sich weigerten, größer zu werden, lugte Manfred zu seiner Frau.
„Guten Morgen Schatz. Was weißt du?“
„Ich weiß alles. Du brauchst es gar nicht zu leugnen.“ In ihrem Gesicht waren sämtliche Vorhänge zugezogen.
Manfred fuhr sich über die unrasierte Wange und massierte seine Augen mit Daumen und Zeigefingern.
„Wovon sprichst du? Meinst du den Männerabend gestern? Ich hatte dir doch davon erzählt. Tut mir leid, dass es etwas später geworden ist.“
„Ach, hör doch auf!“, sagte sie mit einer Stimme, die eine solche arktische Kälte ausstrahlte, dass er sich fragte, weshalb sich auf den Fensterscheiben kein Frost bildete. „Es geht doch nicht um den blöden Männerabend.“
Er gab sich unschuldig wie ein frisch gebadetes Kind.
„Ich kann dir beim besten Willen nicht folgen. Sag mir einfach, was du meinst.“
Um das aufkommende Zittern ihrer Mundwinkel zu überspielen, zog Elke ihre Augenbrauen so stark zusammen, dass diese sich über der Nasenwurzel trafen.
„Wenn du das nicht selbst erkennst, ist uns nicht mehr zu helfen.“
„Uns?“ Unzusammenhängende Gedanken knallten wie Billardkugeln an die Banden seiner Schädeldecke.
„Ja, uns! Wir sind seit mehr als sechs Jahren verheiratet. Anscheinend ist etwas dran am verflixten siebten Ehejahr. Wie lange willst du mir noch etwas vormachen?“
Ihre Blicke fraßen sich kurz ineinander. Einer dieser Er glaubte, dass sie wusste, dass er … - Momente.
„Schatz, ich … „
„Spar dir das!“ Ihre Worte klangen wie Eiswürfel, die in ein leeres Wasserglas fallen. „Hier …“ Sie zog einen Umschlag aus ihrer Jeanstasche und warf ihn vor Manfred auf den Tisch.
Er gönnte sich einen kurzen Augenblick des Selbstmitleids und ließ zu, dass sich seine Augen mit Tränen füllten. „Willst du etwa die Scheidung?“
Mit äußerster Beherrschung hielt Elke ihre Stimme auf arktischem Niveau. „Lies, dann wirst du schon sehen, wohin du uns gebracht hast.“
Resignierend drehte Manfred das Kuvert in seiner Hand und gestand mit brüchigem Tonfall „Ich wollte das doch nicht.“
Elke zog eine Grimasse. Lachen und Entsetzen kämpften um den verfügbaren Platz. „Was?“
„Es war auf er letzten Betriebsfeier. Ich hatte zuviel getrunken und wir sind uns näher gekommen. Glaub mir, es hat nichts mit dir zu tun. Ich schwöre dir, dass sie mir nichts bedeutet. Es tut mir so leid. Bitte verlasse mich nicht.“
Elke starrte mit zitterndem Kinn auf den Umschlag in Manfreds Hand. Der öffnete ihn und las die von ihr handgeschriebenen Worte:
„Reingefallen! Ich wünsche dir einen schönen ersten April, Schatz.“


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