Seit geraumer Zeit fühlte sie sich in einer handfesten Sinnkrise gefangen: Wo soll bloß diese irdische Pilgerzeit hinführen oder, eigentlich, wann wäre sie mit ihrer Daseinsfrist hienieden vollauf zufrieden?

Im Moment war sie ja von kuriosesten Selbstmordgedanken fremdbestimmt. Hatte sich extra diesen Schmöker zugelegt „Die 100 besten Arten, sich umzubringen“. Wollte aber definitiv wieder einmal zurückstoßen zu altgedient wohlig vertrauter Eigenbestimmtheit.
Wann hatte sie sich zuletzt so richtig eins gefühlt mit sich selbst, konfliktfrei, federleicht?

Schaute zurück auf erfüllte Jahre. Die alle mit etwas zusammenhingen, das vergangen war. Gesundheit, Geld, Gemahl und vor allem Jugend, Frische, Spitzenleistung zuhauf.

Sie suchte ein Glück, das jenseits lag vom Zwang zu Fitness, Dynamik, Erfolgreichsein.

War sich uneingeschränkt bewusst, dass sie auch in besten Phasen dieses Eigentliche, von dem sie ganz genau wusste, wie es sich innen drin anfühlte, gesucht hatte, es nur von allerlei Sensationserlebnissen überdeckt gewesen war, dass es immer noch fehlte.

Entschied, der Einfachheit halber, an dem Punkt anzufangen, an dem sie gerade stand.

Schaute auf diese fremdgesteuert Suizidale.
„Was, du Liebe, fehlt dir denn? Was, du Liebe, bräuchtest du jetzt von mir? Damit es dir, du Liebste, rundum richtig gut geht?“

Auf dem Stuhl, den sie fest im Blick hatte, wandelte sich eine zusammengesackte Alte in eine belastete junge Frau, einen zurückgezogenen Teen, ein unverstandenes Kind, eine Dreijährige. Auf der Kippe. Die noch völlig ungeschädigt war. Ihre erste intakte Identität.

Ich will machen, was ich will! Ich respektiere deinen Willen.
Ich will mitmachen am Computer! Natürlich räum ich dir hier Platz ein.
Ich will meine unbändige Freude ungehindert ausleben! Gerne laut, wild, krachend.
Ich will Anleitung! Ich zeige dir jetzt hier auf der Stelle, wie du immer die Wahl hast.

Es ging in Richtung Pionierin. Abenteuer, Fernreise, Entdecken unbekannter Kulturen. Aufleben durch das Fremde, Weitung durch dies Neue. Die grenzenlose innere Größe. Erfahren. Durch so viel Andersartiges, Innovatives, Kreatives, vorher nicht Vorstellbares.

Plötzlich war mühelos jede Menge Schwung da, Impetus, Brennen, Antrieb, Schub, Lust. Lebenslust. Unabgewürgt freie schiere Lebenslust.
Was ist denn das Eigentliche an all dem? Botschafterin. Zweifache. Grenzgängerin. Und da hatte sie’s: Einssein.

Mit der aufsteigenden Welle in der absteigenden, innerlich im Äußerlichen, eins mit sich zu allen Zeiten. Ob alt, ob neu.

Überall.


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