Endlich hatte ich neue Besitzer für mich gefunden!
Ein junges Paar, frisch verliebt und auf der Suche nach den letzten Einrichtungsgegenständen für ihre erste gemeinsame Wohnung.
Allerdings gab es beim Kauf meiner Wenigkeit einen kleinen Disput:

„Sascha, sieh doch mal diesen hier an.“
„Was willst du denn damit?“
„Der ist nachhaltig hergestellt, auf Schadstoffe getestet und Fairtrade.“
„Aber er ist hässlich!“
„Und ‚Made in Germany‘ – man soll doch schließlich unsere Wirtschaft unterstützen.“
„Na gut, wenn du unbedingt willst. Aber ich darf mir dafür endlich einen Flachbildschirm kaufen!“


Und so einigten sich die beiden Turteltäubchen auf zwei neue Anschaffungen.
Ich wurde eingepackt und mitgenommen. Sascha fasste mich vielleicht etwas grob an, aber meine bevorstehende Aufgabe war auch nicht unbedingt filigrane Arbeit. Und so konnte ich mich schon mal an den rauen Umgang gewöhnen.
Die beiden wohnten in der kleinen Erdgeschosswohnung eines Mehrfamilienhauses. Als die Wohnungstüre aufgesperrt wurde, konnte ich einen kurzen Blick auf meinen zukünftigen Arbeitsplatz werfen. Doch was war das? Dort lag bereits ein Kollege und hatte sich breit gemacht. So ein billiges Fabrikat aus Fernost … bestimmt durch Kinderarbeit gemacht und voll von Chemie. Aber was soll‘s, schließlich hatten meine Besitzer jetzt mich und würden den anderen bald entsorgen – so glaubte ich zumindest.
Falsch gedacht! In der Küche gab es einen Zugang zu einem kleinen Gartengrundstück. Sascha öffnete und ließ mich unsanft vor diese Hintertür plumpsen.
Da lag ich nun und dachte darüber nach, warum mir so etwas passieren musste. Ich konnte nichts tun und ergab mich meinem Schicksal.

Apathisch beobachtete ich in den nächsten Tagen die anderen Mitbewohner, wenn sie an unserem Zaun vorbeigingen. Es waren Leute jeden Alters dabei, ein Jugendlicher im Rollstuhl, ein schwules Pärchen und eine alte Dame mit einem Hund. Oder sollte ich besser sagen »mit einer kleinen, bissigen und nervtötenden Töle, die ununterbrochen vor sich hin kläffte«.
So verging die Zeit.

„Nun sieh dir mal diese Sauerei an, Sonja … das ist ja eklig!“, wurde ich irgendwann unvermittelt aus meinem Delirium gerissen.
„Das war bestimmt dieser Drecksköter. Kann der sein Geschäft nicht woanders machen?“
Wutentbrannt stieg Sascha über mich hinweg und holte aus einem Geräteschuppen Putzeimer, Lappen und Bürsten.
Viele nicht jugendfreie Flüche später stapfte mein Besitzer erneut über mich und trug meinen bemitleidenswerten Kollegen schnurstracks zur Restmülltonne, pfefferte ihn hinein und schlug den Deckel mit einem ohrenbetäubenden Knall zu. Dann kam er auf mich zu und riss mich hoch. Das gleiche Schicksal erwartend schloss ich mit meinem unglückseligen Leben ab und sah mich schon im Häcksler des Wertstoffhofs verenden.
Doch es kam anders. Sascha trug mich durch die Wohnung und hielt mich Sonja im Vorbeigehen unter ihre Nase.
„So, nun bekommt dein nachhaltiger Liebling doch noch seine Chance.“
Die Wohnung wurde von innen geöffnet und ich bekam meinen verdienten Platz vor der Eingangstüre. Arm in Arm betrachtete mich das verliebte Paar einen Moment, bevor sie die Tür wieder schlossen und mit unüberhörbar zärtlichen Neckereien in einem Zimmer verschwanden.
Ich für meinen Teil war überglücklich, hatte ich doch endlich meine Bestimmung gefunden und die besten Besitzer der Welt. Mein Leben als Türmatte konnte nun erst so richtig beginnen.


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