Gibt es nicht jeden Tag etwas Neues? Ist es nicht so, dass der Murmeltiergruß und der Alltagstrott eine reine Erfindung sind? Oder eine Verzerrung der eigenen Wahrnehmung?
Heute zum Beispiel war mir neu, dass mein Baby von selbst auf die Couch kommt. Mein kleiner Liebling, der den Anstoß durch die Physiotherapie braucht um in den Vierfüßlerstand zu kommen, entscheidet sich einfach so, auf die Couch zu klettern. Ich saß übrigens auf der Toilette als er das Sofa eroberte.
Natürlich war ich über diese Neuigkeit nicht sonderlich begeistert. Hat sie mich doch heimlich im Nacken gepackt. Während mein Hirn zunächst glaubte, meine Augen spielen ihm einen Streich. Der Nackengriff verstärkte sich und lähmte meinen gesamten Körper. Immerhin fiel die Ganzkörperklammer im Sekundenbruchteil von mir ab - habe an "finite incantatem" gedacht, kleiner Scherz - und verwandelte sich in die mamatypische Furiosität, die mich wieder zur Herrin der Lage machte: Schwupp di Wupp in einer eleganten Drehbewegung holte ich mir den kleinen Kerl auf meinen Arm.
Mein Bedarf an Neuigkeiten für diesen Tag war gedeckt.
Wenn auch der Brief der Kreditbank lauerte. Weil mein Mann wohl noch nicht genug "Neues" für diesen Tag erlebt hatte, öffnete er ihn. Die Fragezeichen auf seinem Gesicht, veranlassten mich schließlich mein Neuigkeitskontingent zu überfüllen. Also las ich den Brief mit ihm gemeinsam: Zum Glück wollte die Bank nur eine neue Fusion eingehen. Bedeutete, deren Mitarbeiter dürfen sich genauso wie ich ihren Neuigkeitsbehälter überbefüllen. Neue Arbeitsabläufe, neue Kollegen, neue Programme und alles was sonst noch dazu gehört.
Aber wer hätte gedacht, dass mich kurz darauf eine einzelne Mail mitten in eine Zwickmühle katapultiert? Kommt übrigens auch auf die Neuigkeitenliste: Ich sitze vor einer Mail und hadere mit mir, sie zu öffnen. Das ist mir nie zuvor passiert.
In Times-New-Roman-Manier starrt mich der Absender an. Erwartet, dass ich ihn anklicke und seine Botschaft lese.
Aber will ich mich wirklich mit weiteren neuen Dingen beladen? Im Grunde schon, schließlich habe ich mich um einen Job beworben. Nur, was ist, wenn aus dem "Neuen" nichts wird?
Ach, mir reichts! Ich öffne die Mail morgen. Der morgige Tag braucht genauso Neues.


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