Deadly Toys
Wir schreiben das Jahr dreitausend-zweiundzwanzig. Vereinzelt wachsen Pflanzen auf der Erde, auf der vor fünfundsiebzig Jahren ein Atomkrieg alles zerstörte.
Diese Gewalt, als die Bomben einschlugen, da gab es kein Entkommen. Die Menschen waren voller Hass und Neid, Geldgier und Lügen. Alle schauten auf ihre Nachbarn, die eigene Habe schien in Vergessenheit geraten zu sein. Wichtig war nur, was die Leute redeten, es gab kaum mehr Liebe untereinander.
In all dem Leid und der Zerstörung passierte etwas Märchenhaftes. Denn auf einer großen, weiten Fläche entwickelte sich eine Kürbispflanze. Weit und breit wuchs nichts. Sie entwickelte sich, die Blütenfarbe war Neon gelb. Ihre sonst zylindrische Form wies Ecken und Kanten auf. Am Rand Zickzack und der Stempel in der Mitte, war übergroß. In der Luft flogen gespenstische Vögel. Manche sahen aus wie fliegende Katzen, diese glichen übergroßen Fledermäusen. Dann gab es kleine, größenmäßig wie Spitzmäuse ohne Fell, mit Federn. Deren Mund war so spitz wie eine Stricknadel. Die fliegenden Mutanten sorgten für die Bestäubung der merkwürdigen Blüten. Sie passten explizit in die Blüten. Unterhalb der Blüte entwickelte sich ein Fruchtboden. So geschah es an allen fünf Blüten dieser Pflanze. Zeit verging, manchmal kam der Regen. Logisch stark verseucht, doch brachte er die notwendige Feuchtigkeit.
Es entwickelten sich Kürbisse mutiert wie alles andere in weiter Ferne. Sie glichen granatroten, fruchtigen Monstern. Ausgereift, lösten sie sich von der Pflanze. Sogleich, wie sie abfielen, entwickelte sich am getrockneten Stiel eine Nase. Oberhalb dieser bildeten sich drei Augen, eine direkt über der Nase und die anderen links und rechts davon. So bekamen sie fast einen Rundblick. Doch das unglaublich Wahnsinnige an diesen Kürbissen war die Öffnung unter der Nase. Denn dort wuchsen in Windeseile scharfe, spitze, blaugrüne Zähne. Eine klitschige Zunge lag hinter den Zähnen und oje, sie fingen an zu reden. Erzählten sich Geschichten von ihren Vorfahren und von der Welt vor ewigen Zeiten.
Sie erinnerten sich daran, wie sie ausgehöhlt vor der herbstlich dekorierten Wohnung,- oder Haustür standen. In der Nacht mit einer Kerze zum Leuchten gebracht. Ja an die Zeiten, als es Unmengen von ihnen gab. Hübsch und schön geformt, nicht grauenvoll entstellt.
Traurig sagte der erste abgefallene Kürbis, als er die Verwandlung zwei seiner Geschwister mit ansah:
„Wie seht ihr denn aus? Hier gibt es nichts mehr? Außer uns Kürbissen mit unseren hässlichen Fratzen.“
Kürbis Zwei antwortet:
„Sieh doch, dort in weiter Ferne, da sind Sträucher, Gras und Bäume. Sehen genauso komisch aus.“
Kürbis Drei lachend:
„Ihr Dummköpfe, nicht genug, dass wir mutiert sind, wir sprechen wie die Menschen früher. Das irritiert mich.“

Kürbis eins:
„Freunde, mir ist ganz schlecht, seht nur, Fäulnis breitet sich aus.
Kürbis vier und fünf schafften es nicht mehr, eine fertige Gestalt anzunehmen. Schon gleich als sie sich vom Mutterstock lösten, verfaulten sie. Die anderen zwei Kürbisse verendeten auch an der Fäulnis, die sie schlagartig überfiel.
Diese Kürbispflanze mitsamt ihrer Frucht verfaulte durch die vergiftete Luft und dem verseuchten Boden.
Lange vor diesem Krieg verrichteten die Menschen ihre Arbeit in großen Fabriken. Alles ferngesteuert, schon am Eingang wurden alle persönlichen Klamotten sowie Schuhe verstaut in Schließfächern. Welche sich mit dem Finger über einen Sensor automatisch öffneten.
Betriebseigene Ganzkörperanzüge und Sicherheitsschuhe kleidete das Personal. Es gab eine Art auf Schienen gestellte stabile Teller. Auf diesen standen die Menschen und wurden direkt und ohne Umweg an ihre Arbeitsplätze gebracht. Auch jene waren automatisiert. Das hieß, nur kleine Tätigkeiten hielten die Produktion aufrecht.
Tiere, die zur Fleischherstellung dienten, lebten in großen Anlagen. Extra für die Fleischherstellung errichtet. Schlachthaus und Verarbeitung, alles in einem übergroßen Gebäude mit viel Automatisation.
Vorne geht zum Beispiel eine Kuh rein, hinten kommen große, gefüllte Kunststoffbehälter raus. In denen befanden sich vakuumierte Fleischstücke. Vorbereitet und zu fertigen Gerichten werdend, wurde das Fleisch in andere Fabriken transportiert. Theoretisch immens große Küchen, in denen viele Roboter die Köche unterstützten. Gekochte Fertigessen, keiner kochte mehr selbst. Drohnen brachten die tiefgefrorenen Speisen in Länder mit der größten Hungersnot.
Im Sommer brannte die Sonne ungnädig. Die Ozonschicht war weitestgehend zerstört. Starke Stürme mit Windgeschwindigkeiten zwischen Gut und Böse fegten Überland. Unmengen an Regen überfluteten ganze Landschaften. Im Winter gab es zwei Monate tiefsten Frost.
Die Politiker regierten und das Fußvolk schwieg. Jenes wurde nicht gehört.
Die großen Kirchen verwandelten sich in Wohnräume für Obdachlose. Für die Ärmsten der Armen. In kleinen Gemeinden beteten die Christen. Denn das Wort Gottes galt trotz der massiven Veränderung. Viele bekehrten sich, wurden gläubig.
So sah es aus, das Leben auf der Erde. Als der Osten den Westen angriff und die Atombomben gezündet wurden.
Es war der im Jahr zweitausend-neunhundert siebenundvierzig, am sechsten, sechsten um sechs Uhr am Morgen.
An allen Gebäuden zerbarsten zuerst die Fenster. Eine Druckwelle nietet alles um. Bäume, Autos, Menschen brannten. Alles auf einmal dem Erdboden gleichgemacht. Überdeckt mit Schutt und Asche durch Flächenbrände. Leichen von Menschen und Tier. Die Atmosphäre war verseucht. Radiologische Strahlung vernichtete alles, was nicht eh schon verendet war.
Schnell und sicher tot bringend, das war vorherzusehen. Deadly Toys …

Im Klassenzimmer beobachtete die Lehrerin verschiedene Reaktionen ihrer Schüler. Einige wurden nachdenklich, andere empfanden Ekel.

Sie alle waren überlebende, mutierte Menschenkinder. Selbst die Lehrerin benutzte drei Arme und stand auf drei Beinen. Ihr Gesicht war entstellt. Das Haar hing verfilzt von ihrem Kopf.

Der Schüler, welcher an einem Pult stand und die Geschichte vorlas, legte das Tablet vor sich ab und ging in sich gekehrt an seinen Platz zurück. Er benutzte Gehilfen, seine Beine waren schwach, kaum belastbar.

Das war ein Aufsatz über „sprechende Kürbisse“ der sechsten Klasse Gymnasium.


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