Nach einem anstrengenden Arbeitstag gab es für mich nichts Besseres, als eine Runde zu laufen. Einfach rennen, die Probleme und Anstrengungen des Tages auf der Strecke lassen. Mit jedem Meter und weiteren Kilometer befreite ich mich von der Last.
An jenem frühen Abend war das Wetter stürmisch. Mein Lauf kostete mich Kraft und Durchhaltevermögen. Spürte ich Rückenwind, lief es sich fast von selbst, musste ich früher oder später dem Gegenwind trotzen. Wenigstens präsentierten mir die Wolken am Himmel ein tolles Farbenspiel. Der schnelle Wechsel hielt den Regen zurück. Genauso lange, bis ich meine Runde beendete. War der Lauf noch so anstrengend. Ich fühlte mich am Ende glücklich und befreit. War froh, auch dankbar, gelaufen zu sein.

Kaum zu Hause überschlugen sich die Gedanken in meinem Kopf. Es gab noch einiges Wichtiges zu erledigen. Doch als Allererstes entfernte ich aus dem Kachelofen, welcher zwischen Esszimmer und Wohnzimmer eingebaut war, die alte Asche. Damit ich ihn neu einbrennen konnte. Die Wärme eines Kaminofens erwies sich mir viel wohliger als die des Heizkörpers. Seit dem Abend des Vortags wurde kein Holz mehr nachgelegt und es war auch keine Glut zu erkennen. So räumte ich die Asche fein säuberlich aus dem Ofen und stellte sie auf den Balkon.
Es war Dezember und meine Rosen und Kräuter waren in einer Nische auf dem Balkon winterfest gemacht. Das hieß, Styropor, Noppenfolie und Kokosmatten schützten die großen, bepflanzten Töpfe vor dem Frost. Da der Wind noch immer stark blies, stellte ich das Behältnis mit der Asche neben diese Pflanzen, da dachte ich, ist sie geschützt vor dem Wind. Dieser blies mir um die Nase, ich war froh, als die Balkontür wieder geschlossen war.
Ein Blick auf die Uhr. Es war noch genügend Zeit für eine Dusche.

Die Arztpraxis hatte noch geöffnet. Ein Anruf stand an, ich benötigte noch Medikamente. Mit dem Telefon in der Hand stand ich in der Küche. Diese war offen und verband sich mit dem Esszimmer. Es war etwas zeitaufwendig mit dem Rezept. Denn es gab ab und zu Komplikationen bei der telefonischen Bestellung.
Ich wählte die Nummer. Von draußen hörte ich jemanden rufen.

„Hallo“

Konzentriert auf die Frau am anderen Ende des Telefons, versuchte ich dieser meine Wünsche mitzuteilen. Draußen wurden die Rufe immer lauter,

„Hallo“, „Hallo“

Mehrere Stimmen riefen.

„Hallo“

Immer lauter und energischer klangen diese Rufe.
Ich drehte mich um, sah durch das Fenster. Das interessierte mich nun doch. Wem das "Hallo" galt. Für einen Augenblick spürte ich weder Zeit noch Raum, Freude noch Leid. Total erstarrt schrie ich panisch erschrocken in das Telefon,

„Bei mir brennt's“

Umgehend beendete ich das Gespräch, legte den Hörer auf die Ablage in der Küche. Mir wirds grad wärmer, waren meine ersten Gedanken. Da draußen auf meinem Balkon loderten die Flammen.

Mein Körper stand auf Alarm, mein Kopf befahl mir, löschen, Wasser, Eimer, schnell handeln. Ich war gefüllt mit Adrenalin. Pulsschlag erhöht, Schweiß trat aus allen Poren. Niemand war da, außer mir. Und das Feuer auf dem Balkon. Unten auf dem Parkplatz und der Straße standen die gaffenden Menschen.
Zwei Wassereimer fand ich. Einen stellte ich in der Küche unter den Wasserhahn. Drehte ihn bis zum Anschlag auf. Den anderen im Putzkämmerchen ins Waschbecken, auch dort drehte ich den Hahn voll auf. Es kam nur ein Rinnsal. Ich fühlte mich wie im Katastrophenfilm. Meine Güte, ich war total im Kampf. Das Feuer musste gelöscht werden, bevor das Fenster platzt. Und die Flammen in das Wohnungsinnere gelangen. So schnappte ich mir den Eimer aus der Küche, er war nur halb voll. Rannte hinaus auf den Balkon und schüttete das Wasser in die Flammen. Diese schlugen wild um sich und suchten nach Brennbarem in ihrer Umgebung. Schnell rannte ich zurück, stellte den Eimer wieder unter den laufenden Wasserhahn. Schnappte sogleich den anderen. Auch dieser war nur halb gefüllt. Abermals hinaus zum Feuer, das Wasser, welches ich hineinschüttete, zischte kurz auf und es entstand eine beißende Rauchwolke. Umgehend standen die Flammen wieder auf und züngelten um die Wette. Die schlugen so hoch, dass am oberen Balkon die weihnachtliche Dekoration schon brannte. Immer wieder nahm ich die halb gefüllten Wassereimer und schüttete sie in das Feuer. Ich rannte, es war ein Wettlauf gegen die Zeit. Die Eimer beinhalteten immer weniger Wasser. Wahrscheinlich erhöhte ich meine Geschwindigkeit zunehmend.
Aus den Flammen blieben übrig, ein rauchender Haufen verkohlter Plastikblumentöpfe und Folienreste. Die Rosen, nur noch ein Gerippe ihrer selbst. Meine Eimer füllte ich nun in Zeitlupe. Die Luft war raus.
Von weitem hörte ich das Martinshorn, es kam näher, wurde immer lauter. Vor dem Mehrfamilienhaus fuhren ein Feuerwehrauto, die Polizei und ein Krankenwagen auf. An meiner Tür klingelte es, ich drückte den Türöffner. Zwei, drei Feuerwehrleute in voller Montur drängten zur Wohnungstür herein. Mit ihren Stiefeln marschierten sie durch den Raum. Ohne Rücksicht auf Verluste. Immerdar, mit dem Feuer im Kopf, eilten sie durch die Wohnung. Raus auf den Balkon, mit den Blumentöpfen zurück. Treffender, was davon übrigblieb. Trampelten über die Wohnteppiche und über alles, was vorher sauber war. Alles wurde in Windeseile verdreckt. Sie entfernten vor allem die Gegenstände, welche aussahen, in Flammen aufzugehen.
Mit einer Wärmebildkamera inspizierten sie den Boden des Balkons über meinem. Und alles, was noch übrig blieb von diesem Brand. Das Fenster war mit einer Asche, Plastikresten und einer Rauchschicht verdreckt.

War ich erst einmal froh, keine Flammen mehr zu sehen. Wenn ich mir überlege, wenn die Feuerwehr mit dem Wasserschlauch gekommen wären, unvorstellbar.
Es kehrte Ruhe ein. Der Krankenwagen und das Feuerwehrauto waren weggefahren. Übrig blieben zwei Polizisten, wir setzten uns an meinen Tisch. Sie stellten mir verschiedene Fragen. Währenddessen verspürte ich komisches, eine Übelkeit. Es stellte sich ein Hustenreiz ein und in meinem Hals brannte es verdächtig. Den Polizisten fiel das auf und sie erkundigten sich nach meinem Wohlbefinden.

Ich erzählte ihnen von meiner Übelkeit und dem brennenden Hals. Davon, dass ich da draußen den Rauch einatmete, während ich das Feuer löschte. Sie überlegten und meinten, ich sollte lieber in das Krankenhaus gehen. Das klang nach einer Rauchvergiftung. Die Polizisten bestellten den Krankenwagen und mit dem fuhren sie mich ins Krankenhaus.
Nach ein paar Untersuchungen bekam ich ein Pumpspray mit Kortison, welches verhindern sollte, dass meine Lungenbläschen zusammenfallen. Diagnose, keine Rauchvergiftung.


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