Sie blickt in ihr Spiegelbild.
Tränenüberflutete Augen starren sie angsterfüllt an. Schwarze Streifen aus Kajal unterstreichen den großen, bunten Fleck auf ihrer linken Wange.
Hastig wendet sie den Blick ab. Sie schaut ihren Körper hinunter, betrachtet die vielen Blutergüsse, die die alten überdecken. Es sind Fingerabdrücke, die sich fest in ihre Haut bohren, während sie versucht, sich zu wehren.
Sein besitzgieriges Gesicht taucht vor ihrem inneren Auge auf.
Angsterfüllt schließt sie die Augen. Sie will hier weg. Das alles vergessen und ihn nie wieder sehen müssen.
Aber was, wenn er sie finden wird? Was wird er ihr dann antun? Würde sie das überleben? Und sind andere Menschen da draußen besser als er? Vielleicht hatte sie sogar noch Glück mit ihm!?
Als sie aufschaut und in ihrem Blick nur seinen Hass erkennt, trifft sie den Entschluss.
Sie packt das Wichtigste zusammen und verlässt, nur mit ihrer Handtasche bestückt, das Haus. Zu viel hätte sie an ihn erinnert. Mit immer schneller werdenden Schritten entfernt sie sich von dem Haus, in dem sie wohnte, um sich dem zu nähern, das sie ihr Zuhause wird nennen können. Vorübergehend wird sie bei ihrer Mutter leben können, aber ihr Entschluss steht fest, sie wird neu anfangen.
Auf dem Weg zum Friseur
kündigt sie ihren Job und löscht all seine Nachrichten, entfolgt ihn auf den sozialen Media und blockiert ihn letztendlich.
Es ist ein Jahr später.
Sie schaut in den Spiegel und ihre braunen, von einer hübschen, runden Brille eingesäumtes Augen blicken ihr entgegen. Ihre Haut ist rein und der trendige Bob umspielt ihre Konturen. Sie wagt ein Lächeln.
Seit ein paar Wochen verfolgt er sie nicht mehr in ihren Träumen, sie kann bereits ohne ein Schweißbad aufwachen. Sie hat einen neuen Job, der ihr Spaß macht und eine Wohnung, in der sie sich Zuhause fühlt. Sie hat ihn nie wieder gesehen und das ist gut.
Sie ist froh, dass sie den Schritt gewagt hat.
Es war alles andere als einfach, den Neuanfang zu wagen, aber sie bereut es kein bisschen.
Endlich ist sie frei.