Freundschaften sind in der Regel langlebig. Manche können ein Leben
lang bestehen und so intensiv sein, dass sie mehr Emotionen hervorrufen
als eine enge Verwandtschaft. Es gibt allerdings Ausnahmen, so wie im Fall
von Karin, deren Freundschaft mit Simone nur einen Sommer überdauerte.
Der Eindruck, den diese Erfahrung hinterließ, blieb bei Karin im Gedächtnis
zurück, als angenehmste, wenn auch bitter-süße Erfahrung haften, ein
Moment des Glücks und dem Einklang der Seelen, den sie auf solche Weise
nie mehr erleben sollte.

Es begann an einem warmen Tag im Juni am Strand. Der kalte Lufthauch
des Mistral, ungewöhnlich zu dieser Zeit, ließ die Temperatur auf ein
erträgliches Niveau sinken. Karin lag auf ihrem Badetuch etwas außerhalb
des abgesperrten Bereichs des Palace Hotels. Sie wohnte zwar dort mit
ihren Eltern, floh aber regelmäßig, um nicht die ewig gleichen Gespräche
anhören oder gar daran teilnehmen zu müssen. Das versammelte
Großbürgertum der Hauptstadt fand sich jedes Jahr hier ein, um die
Ferienzeit unter Gleichgesinnten zu verbringen. Geschäftliche Verbindungen
wurden genauso geknüpft, wie Ehen arrangiert. Karin war mit ihren 19 Jahren,
ihrer rötlichen Mähne und der ansehnlichen Figur in den Kreis der
Kandidatinnen gerückt, welche die Aufmerksamkeit künftiger Schwiegermütter
auf sich zog. Diesen prüfenden Blicken entzog sie sich so oft wie möglich.

Karin sollte im Herbst das erste Semester Kunstgeschichte studieren und
wollte sich auf romanische Architektur spezialisieren. An den Nachmittagen
durchstreifte sie die Dörfer im Landesinneren auf der Suche nach interessanten
Objekten, die von ihr fotografiert wurden. In einem winzigen Bergdorf etwa
30 km von der Küste entfernt trafen sie sich. Simone zeichnete die biblischen
Geschichten ab, die auf den Kapitellen dargestellt wurden, während Karin die
Säulenanordnung, das Tonnengewölbe und die Apsis auf ihren Chip bannte.
Sie kamen ins Gespräch und stellten fest, dass beide die Ferien im selben Ort
verbrachten, ähnliche Interessen verfolgten und die gleiche Vorliebe für
morgendliche Bäder im Mittelmeer teilten. Nach einem kühlen Getränk auf
der nächsten Caféterrasse verabredeten sie sich für den nächsten Vormittag.
Dann bestieg Karin ihren Peugeot, Simone ihr Motorrad, um die Heimfahrt
anzutreten.

Karin hatte es sich bereits bequem gemacht, als Simone auftauchte. Beide
trugen nur einen kleinen Slip und verzichteten auf ein Oberteil. Karins Busen
war deutlich weiterentwickelt, dafür war Simone bedeutend mehr gebräunt.
Sie liefen ins Meer und schwammen bis zu den Bojen, die den sicheren Bereich
für die Badenden anzeigten. Sie neckten einander, bespritzten sich und
schwammen um die Wette. Lachend und ausgelassen ließen sie sich auf die
Badetücher fallen. Nach einem weiteren Bad beschlossen sie das Mittagessen
in einem Bergdorf einzunehmen und eine besondere Klosterkirche zu besuchen.
Sie nahmen den Peugeot und fuhren los.

Sie verbrachten die nächsten Tage vom Morgen bis zum Abend gemeinsam.
Ihre Verbundenheit, der Gleichklang ihrer Vorlieben und Gefühle, das blinde
Verständnis war besonders für Karin neu und immer wieder erstaunlich. Sie
genoss jeden Augenblick und wünschte, dass diese Zeit nie enden möge. Die
Tatsache, dass Simone eine Frau war, tat ihrer Attraktivität keinen Abbruch.
Karin war verliebt. Sie war sich jedoch nicht sicher, ob dieses Gefühl erwidert würde.

Der Sommer ging zu Ende und der Abschied rückte näher. Karin und Simone
hatten sich ausnahmsweise nach Sonnenuntergang noch ein Bad im Meer gegönnt.
Sie tranken den gekühlten Rosé und betrachteten die Lichter der
Boote, die mit den ersten Sternen konkurrierten. Karin drehte sich zu
Simone: „Ich liebe Dich!“ Jetzt war es ´raus. Simone zögerte etwas, sodass
Karin sich schon zurückziehen wollte. Doch dann kam das Erlösende: „Ich Dich doch auch.“
Sie küssten sich in einer heftigen Umarmung. Dabei streichelten
sie einander, liebkosten ihre Brustwarzen mit ihren Lippen und stammelten
dieselben Worte, wie es alle Verliebte tun.

Karins Hand glitt hinunter zu Simones Schenkel. Die Freundin hielt sie sanft zurück.
„Ich muss Dir etwas gestehen!“ Karins Welt schien sich aufzulösen.
Simone stand auf. Ihre Gestalt zeichnete sich im Licht des aufgegangenen
Mondes ab. „Ich heiße nicht Simone. Ich bin als Frau im Körper eines Mannes
gefangen. Mein Name ist Simon.“


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